Erläuterungen zum "Vorfahren" |
In einer Zeitschrift für Verkehrsrecht erschien folgender Aufsatz von
Hrn. MR Grundtner Herbert (Wien). Darin wird -aus juristischer Sicht - das Vorschlängeln für
einspurige Fahrzeuge (§ 12 STVO, 20. Novelle) genauer beleuchtet.
Dieser Text kann bei Diskussionen mit bestimmten Organen u.U.
hilfreich sein (auch wenn diese die hier vertretene Ansicht nicht immer
unbedingt teilen): |
1. Begriff des
"Vorfahrens" |
Der § 12 Abs. 5 verwendet offensichtlich keinen der in Betracht
kommenden Begriffe des § 2, sondern spricht von „Vorfahren". Damit wird
weder § 2 Abs. 1 Z 29 (Überholen) noch § 2 Abs. 1 Z 30 (Vorbeifahren) zur
Anwendung kommen. Dies bedeutet, dass §§ 15 bis 17 im Falle des § 12 Abs. 5
nicht gelten. |
2. Geltung -
Umfang |
§ 12 Abs. 5 gilt nur für einspurige Fahrzeuge (Fahrräder,
Motorfahrräder, Leichtmotorräder, Kleinmotorräder, Motorräder), die
vorfahren. Unter einspurige Fahrzeuge fällt der Roller (§ 2 Abs. 1 Z 22 lit c), die übrigen im § 2 Abs. 1 Z 22 definierten
Fahrradarten können auch mehrspurig sein. Derartige mehrspurige Fahrräder
dürfen nach § 12 Abs. 5 nicht vorfahren. Da der § 12 Abs. 5 auf die Lenker
einspuriger Fahrzeuge abstellt, ist das Vorfahren mit einem einspurigen
Fahrzeug auch dann erlaubt, wenn dieses einen mehrspurigen Anhänger zieht.
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3. Vorne aufstellen |
Das Vorfahren darf nur erfolgen, um sich weiter vorne aufzustellen.
Wird vom Lenker des einspurigen Fahrzeuges vorgefahren, ohne diese Absicht,
wird § 12 Abs 5 übertreten. Aus der Formulierung des § 12 Abs 5 ist jedoch zu
schließen, dass nach dem Vorfahren nicht immer ein Aufstellen erfolgen muss.
Man stelle sich vor, die Verkehrslichtsignalanlage schaltet auf „Freie
Fahrt". Ein Aufstellen wäre hier gar nicht mehr zulässig! Wie weit vorne
sich der Lenker des einspurigen Fahrzeuges aufstellen will, ist nicht von
Bedeutung. |
4. Vorschriften
beim Vorfahren |
Da das Vorfahren weder unter die Begriffsbestimmungen des
„Überholens" noch des „Vorbeifahrens" fällt, gelten die
Vorschriften der §§ 15 bis 17 hier nicht. Die Vorschriften zB. über den
seitlichen Sicherheitsabstand oder bzgl. der Verpflichtung zur Anzeige des
Vorbeifahrmanövers gelten daher nicht. Dass die Einhaltung eines
Seitenabstandes beim Vorfahren nicht vorgeschrieben werden kann, ist insofern
logisch, als beim Vorbeischlängeln ja auch quer zwischen den Fahrzeugen
durchgefahren wird. Der Seitenabstand darf daher beim Vorfahren ±0 mm sein.
Der Lenker des einspurigen Fahrzeuges muss nur so vorfahren, dass kein
Fahrzeug beschädigt wird. Es muss nicht einmal eine Fahrzeugbreite zwischen
den Fahrzeugen frei sein, wenn der Lenker des einspurigen Fahrzeuges zB.
durch Querhalten des Lenkers beim Vorfahren zwischen zwei Fahrzeugen eine
Berührung vermeiden kann. Es gilt beim Vorfahren an nicht einbiegenden
Fahrzeugen nur eine Vorschrift: Es muss für das einspurige Fahrzeug
ausreichend Platz vorhanden sein, wobei beim Vorfahren zwischen zwei
angehaltenen Kolonnen der ausreichende Platz sich auch aus Teilen des ersten
und zweiten Fahrstreifens ergeben kann. |
5. Einbiegende
Fahrzeuge |
Beim Vorfahren hat der Lenker des einspurigen Fahrzeuges darauf zu
achten, dass die Lenker von Fahrzeugen, die die Absicht zum Einbiegen angezeigt
haben, durch dieses Vorfahren nicht behindert werden. Diese Vorschrift gilt
sowohl bezüglich Links- als auch Rechtseinbiegern. |
6. Vorschriften
für angehaltene Fahrzeuge |
Bezüglich dieser Fahrzeuge ist zu sagen, dass § 23 Abs. 4 auch für
diese Fahrzeuge gilt. Die Türen des Fahrzeuges dürfen so lange nicht geöffnet
werden und auch nicht geöffnet bleiben, als dadurch andere Straßenbenützer
gefährdet oder behindert werden können. Die Personen, welche die Tür öffnen
oder geöffnet lassen, müssen aber auch darauf Bedacht nehmen, dass der Lenker
des vorfahrenden einspurigen Fahrzeuges praktisch keinen Seitenabstand beim
Vorfahren einhalten muss. |
7. Eigene
Erfahrungen |
Meine Erfahrungen (die in dieser Sache bis zu Verhandlungen vor
dem UVS gehen) sagen allerdings etwas anderes als in dem hier vorliegenden
viel zitierten Schreiben gesagt wird. |